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Die Stadt Bursa, am Fuße des höchsten Berges Nordwest-Anatoliens unweit des Marmara-Meeres gelegen, hat heute zwei Millionen Einwohner. Sie verbindet in einzigartiger Weise zwei gegensätzliche Eigenschaften miteinander, nämlich Stadt der Kultur und Stadt der Industrie zu sein. Wenn man von den heißen Quellen und der Heilbad-Qualität absieht, wurde ihre kulturelle Funktion geschichtlich geprägt als erste Hauptstadt des entstehenden Osmanischen Reiches (1326), als Nekropolstadt der ersten sechs osmanischen Sultane, die von 1326 bis 1451 in markanten Grabstätten beigesetzt wurden, und durch die traditionell-islamische Struktur ihres früh entstandenen Basarbereichs.
Als Industriestadt ist Bursa heute ein maßgeblicher Ort der türkischen Textil- und Automobilindustrie, die den wirtschaftlichen Aufschwung der Türkei mit trägt und von ihm getragen wird. Die Textilindustrie hat geschichtliche Vorläufer, die – durch die frühe Seidenindustrie – bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Zu der Automobilindustrie legten Fiat, Renault und Bosch die Grundsteine. Die harmonische räumliche Kombination von Kultur und Industrie in Bursa kam durch moderne Planung zustande: Kultur in der historischen Innen- und Altstadt, Industrie in Form dezentraler Konzentration in der Peripherie, in großen und kleinen industrial parks. Der Begriff Millionenstadt wird in außereuropäischen Ländern mit Ansammlungen von Slums verbunden. Das ist in Bursa nicht der Fall.
Nach Überwindung der Phase ungezügelter Zuwanderung – die Industrie ist der anziehende Magnet – und Niederlassung der Zuwanderer in „Übernacht gebauten Häusern“ (gecekondu evler), ist heute fortschrittlicher Massenwohnungsbau Ausdruck der dominanten Mittelschicht. Auch entspricht der infrastrukturelle Ausbau der Stadt, was Verkehrserschließung durch Straße und Schiene und Versorgung der Bevölkerung mit Einkaufszentren und shopping malls angeht, modernen Millionenstädten. Die Darstellung beruht auf den Ergebnissen von vier in den letzten Jahrzehnten seit 1967 durchgeführten Forschungsprojekten in der Stadt Bursa. Der Autor: Prof. Dr. phil. Reinhard Stewig, Geographisches Institut, Universität Kiel