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Über die Fragen, wie sich Gattungen herausbilden, was ihr Wesen ausmacht, wodurch sie sich voneinander unterscheiden und in welchem Verhältnis sie zu Textsorten oder Schreibweisen stehen, haben sich schon seit langer Zeit sehr viele intelligente Menschen gewichtige Gedanken gemacht, ohne zu allgemeingültigen Aussagen zu gelangen. Gattungen heute theoretisch zu fassen und über ihre Eigenarten, Gemeinsamkeiten, Abgrenzungen, Funktionen und ihre Historizität wissenschaftlich zu reflektieren, wirft vor allem deshalb eine ganze Reihe von Problemen auf, weil das zugrunde gelegte Textmaterial bisher in der Regel in romanischen, slawischen oder germanischen Sprachen abgefasst war. Für jemanden, der sich in erster Linie mit „außereuropäischen“ (und dazu noch häufig mit „vormodernen“) Texten beschäftigt, erscheint es sehr bemerkenswert, wie ausdifferenziert die Debatte um die Erfassung des Phänomens „Genre“ daherkommt und wie intensiv sich die Kolleg/inn/en aus der Anglistik, Germanistik, Romanistik oder Slawistik bereits mit dem Forschungsgegenstand befasst haben. Neidvoll muss man anerkennen: Die Gattungsforschung befindet sich in den mit dem nicht-westlich-abendländischen Schrifttum befassten Disziplinen noch im Anfangsstadium. Insofern liefert dieser Sammelband eine erste Bestandsaufnahme gewisser indigener (tibetischer, chinesischer, sanskritischer, arabischer, japanischer, mongolischer, hethitischer) Gattungstypen, die interessanterweise eine gewisse Affinität zu hybriden gegenwärtigen (postkolonial-englischer, oraler lateinamerikanischer) Genres aufweisen. Uns geht es erst einmal um eine Rekonstruktion historischer Genealogien und Typologien von Textsorten in ‚nicht-abendländischen‘ Kulturen. Eine tiefergehende, transkulturell vergleichende Analyse bleibt hingegen ein großes Desiderat. Genres müssen in einem zweiten, noch zu leistenden Schritt komparatistisch untersucht und funktionsgeschichtlich hinsichtlich eines kulturspezifischen Gattungsgedächtnisses und einer kulturspezifischen Gattungskritik analysiert werden.
Rüdiger Zymner
Gattungen aus literaturwissenschaftlicher Sicht
Konrad Klaus
Textgattungen im alten Indien. Theorie und Geschichte
Christian Schwermann
Gattungsdynamik in der traditionellen chinesischen Literatur. Von der „Erläuterung“ (shuō) zur „Erzählung“ (xiǎoshuō)
Amr El Hawary
Hybride Repräsentationen. Zur Frage der Gattung aus ägyptologischer Sicht
Manfred Hutter
„Annalen“, „Gebete“, „Erzählungen“, „Ritualtexte“ und anderes. Wie haben Hethiter ihre Literatur kategorisiert?
Heinz-Josef Fabry
Die Genres der Biblisch-Hebräischen Literatur
Barbara Eisenbürger & Stephan Conermann
Die Überlieferungen vom Propheten und seinen Genossen (aḥādīṯ) als Gattung
Christian Steineck
Genres der mittelalterlichen Zen-buddhistischen Literatur. Wie schreibt man „nicht gestützt auf Zeichen“?
Veronika Veit
Der Typ der tabellarisch-biographischen Darstellungsform (piao chuan) ch’ing-zeitlicher Geschichtsschreibung am Beispiel der Mongolen
Peter Schwieger
Traditionelle tibetische Textsorten. Bestimmungskriterien und Kommunikationszusammengang
Maria Susana Cipolletti
Kultureigene Gattungskonzepte indigener oraler Traditionen im Tiefland Südamerikas
Marion Gymnich
‚Decolonizing Genre‘? – Das Konzept der literarischen Gattung in englischsprachiger postkolonialer und interkultureller Literatur
Stephan Conermann & Amr El Hawary
Ausklang. Das Problem der Gattungsbestimmung in transkultureller Perspektive
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